Mitverschulden des Maklerkunden kann Pflichtverletzung des Maklers egalisieren!
Auch bei einem Verstoß gegen Aufklärungs- und Beratungspflichten des Maklers ist Raum für ein die Schadensersatzpflicht minderndes, gegebenenfalls sogar sie ausschließendes Mitverschulden des Kunden.*)
OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2020 - 18 U 18/19
BGB §§ 254, 652 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Der Makler nimmt den Käufer auf Zahlung einer Nachweisprovision in Anspruch. Das dem Käufer vom Makler ausgehändigte Exposé enthielt unter "Eckdaten" den Hinweis, im Objekt seien "Fünf Wohneinheiten" vorhanden. Des Weiteren wies das Exposé stilisierte Grundrisspläne des Erdgeschosses, des ersten Obergeschosses und des Dachgeschosses auf. Im Beisein des Maklers besichtigte der Käufer, der auch noch über weitere Immobilien verfügt, das Objekt. Im Erdgeschoss befand sich früher ein Gewerbe, diese Räume wurden zu einer Wohnung umgewandelt. Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags weigert sich der Käufer, die Provision zu entrichten. Er macht insbesondere geltend, die Exposéangabe "Fünf Wohnungen" sei im Hinblick auf die fehlende Abgeschlossenheit der Erdgeschossräume falsch, der hierdurch ihm entstandene Schaden (Minderwert des Objekts) übersteige die Höhe der Provisionsforderung ganz erheblich.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Zwar ist die Exposéangabe hinsichtlich der Anzahl der Wohnungen falsch und der Makler hätte bei ordnungsgemäßem Vorgehen dies auch erkennen können und müssen. Das OLG verneint aber die hierauf gestützte Verwirkung der Maklerprovision (§ 654 BGB entspr.). Der Nebenpflichtverletzung des Maklers - Verstoß gegen den Grundsatz der Exposéwahrheit (vgl. hierzu D. Fischer, Maklerrecht, 6. Aufl., Kap. IX Rz. 22 ff.) - kommt vorliegend kein schwer wiegendes Gewicht zu (Beispiele für gravierende Exposéverstöße, D. Fischer, Maklerrecht, a.a.O., Kap. VIII Rz. 55 ff.). Dies folgt daraus, dass der Käufer in Immobiliengeschäften bewandert war und die Falschangabe deshalb auch hätte erkennen müssen. Hinzu kam, dass aus den Angaben im Kaufvertrag hervorging, dass die (ehemalige) Gewerbeeinheit im Erdgeschoss zusammen mit der Wohnung im ersten Obergeschoss straßenseitig als ein Wohnungseigentum im grundbuchrechtlichen Sinne und die hintere Wohnung im ersten Obergeschoss mit dem darüberliegenden Geschoss als ein weiteres Wohnungseigentum im grundbuchrechtlichen Sinne angesehen wurde. Im Schwerpunkt befasst sich die Entscheidung mit der Maklerhaftung und namentlich mit der Frage, wie das dem Kunden anzulastende Mitverschulden, Erkennbarkeit der Exposé-Falschangabe, zu gewichten ist. Hier kommt das OLG zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf die Geschäftserfahrenheit des Kunden bei Immobiliengeschäften und den Angaben im Kaufvertrag dessen Mitverschulden ganz überwiegt, so dass ein Schadensersatzanspruch des Kunden ausscheidet.
Praxishinweis
Die Entscheidung betrifft eine Ausnahmefallgestaltung. Im Regelfall kommt bei einem Verstoß des Maklers gegen Aufklärungs- und Beratungspflichten kein überwiegendes Mitverschulden des Kunden in Betracht. Liegt eine reine Beratungspflichtverletzung des Immobilienmaklers vor, so ist ohnehin zu prüfen, ob nicht die vom BGH entwickelten Grundsätze zum Versicherungsmakler, wonach der Berater dem Kunden regelmäßig nicht vorhalten kann, er hätte das, worüber der Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen ohne fremde Hilfe selbst erkennen können (BGH, NJW 2018, 1160 Rz. 20, 22), auf das Immobilienmaklerrecht übertragbar sind (hierfür D. Fischer, NZM 2019, 201, 204 f.). Im Übrigen ist zu beachten, dass der Sachkunde des Immobilienmaklers besondere Bedeutung im Rahmen der Gewichtung der Mitverschuldensanteile zukommt. Im Regelfall sind die Mitverschuldensquoten mit 2/3 zu Lasten des Maklers und 1/3 zu Lasten des Kunden anzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.2016 - 7 U 82/15).
RiBGH a. D. Dr. Detlev Fischer, Karlsruhe
IMR 2021, 39