Besichtigung grundlos verweigert: Und tschüss!
1.
Verweigert der Mieter grundlos eine Besichtigung der Wohnung, ist der Ausspruch einer fristlosen Kündigung nach vorheriger Abmahnung gerechtfertigt. Es ist nicht erforderlich, vorher auf Duldung zu klagen (im Anschluss an BGH, ZMR 2011, 366; IMR 2015, 312).
2.
Liegt für den Vermieter ein berechtigter Grund vor, die Wohnung zu besichtigen, darf der Mieter die Besichtigung nicht grundlos verweigern.
3.
Die vorherige Begehung der Wohnung (etwa mit einem Wertgutachter oder zum Erstellen eines Aufmaßes) zum Zwecke des späteren Verkaufs begründet ebenso ein berechtigtes Vermieterinteresse an der Besichtigung wie der Wunsch des Vermieters, die Rauchwarnmelder auf eine ordnungsgemäße Anbringung und Wartung hin zu überprüfen.
AG München, Urteil vom 28.07.2020 - 473 C 6285/20
BGB § 543
Problem/Sachverhalt
Bereits seit dem Jahr 2016 versucht der klagende Vermieter (V) die Mietwohnung zu besichtigen, weil er mit einem Wertgutachter durchgehen und auch ein Aufmaß erstellen will. Später im Jahr 2017 kommt der Wunsch des V hinzu, die Rauchwarnmelder auf ihren ordnungsgemäßen Einbau und die ordnungsgemäße Wartung hin zu überprüfen. Der beklagte Mieter (M) verweigert trotz mehrfacher Aufforderung und auch Abmahnung die Besichtigung mit dem Einwand, die Wohnung sei derzeit nicht vorzeigbar. V kündigt fristlos und erhebt Räumungsklage.
Entscheidung
Das Amtsgericht verurteilt M antragsgemäß zur Räumung, bei gleichzeitiger Gewährung einer Corona-Pandemie-bedingten großzügigen Räumungsfrist von neun Monaten. Die grundlose Verweigerung der Duldung der Besichtigung der Wohnung stellt, nach vorheriger Abmahnung, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Der vorherigen Erwirkung eines Duldungstitels bedurfte es nicht (Verweis auf BGH, ZMR 2011, 366), weil M in der Gesamtschau die Besichtigung der Wohnung zumutbar war (Verweis auf BVerfG, NZM 2004, 186); M konnte keine Gründe benennen, die einer Besichtigung entgegenstehen. Insbesondere rechtfertigt der Verweis auf eine fehlende Vorzeigbarkeit der Wohnung allenfalls eine Terminsverschiebung, nicht jedoch wird ein dauerhaftes Besichtigungshindernis begründet. Die in Leitsatz 3 genannten Motive begründen jedes für sich genommen ein berechtigtes Vermieterinteresse an der Besichtigung.
Praxishinweis
Die gut begründete Entscheidung setzt die zitierte BGH-Rechtsprechung um, wonach es zur Durchsetzung des Besichtigungsrechts nicht unbedingt einer vorherigen Duldungsklage bedarf (vgl. BGH, IMR 2015, 312; ZMR 2011, 366). Die Entscheidung liegt auch auf der Linie weiterer instanzgerichtlicher Entscheidungen (vgl. LG Berlin, GE 2017, 1410; LG Oldenburg, ZMR 2012, 956) und der Literatur (vgl. Agatsy, IMR 2018, 443; Bub/Pramataroff, FD-MietR 2019, 417129). Für die Verweigerung von notwendigen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen gelten die gleichen Grundsätze, auch hier kann bei Verweigerung des Zutritts eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein (vgl. AG Augsburg, IMR 2018, 419). Zu beachten ist, dass es auf Seiten der Mieter berechtigte Gründe geben kann, die Besichtigung vorläufig bzw. vorübergehend aufzuschieben, etwa bei Erkrankung o. Ä. In diesen Fällen ist den Mietern der benötigte Aufschub zu gewähren, da ansonsten gleichwohl ausgesprochene Kündigungen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen und unwirksam sind (vgl. BVerfG, NZM 2004, 186).
RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Martin Klimesch, München
IMR 2021, 16