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Wann ist eine Verwertungskündigung zulässig?

1.
Eine Verwertungskündigung ist dann zulässig und angemessen, wenn der Erhalt des bestehenden Gebäudes unrentabel ist und einem Neubau keine Gründe des Denkmalschutzes oder bauordnungsrechtliche Hindernisse entgegenstehen.*)

2.
Die genehmigte Erweiterung der Wohnnutzung eines Gebäudes von 268 qm auf über 1.800 qm spricht für eine bisher fehlende Rentabilität und eine neue wirtschaftliche Nutzung.*)

3.
Zu berücksichtigen ist die Tatsache, dass das Neubauprojekt sozialen Wohnraum schafft.*)

LG Köln, Urteil vom 21.03.2018 - 9 S 18/18
BGB § 546 Abs. 1, § 573 Abs. 1 Satz 1, § 573 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 14 Abs. 1, 2

Problem/Sachverhalt

Vermieter und Mieter streiten um die Zulässigkeit einer Verwertungskündigung. Mit Kündigungsschreiben vom 03.06.2016 hatte der Vermieter das bestehende Mietverhältnis über ein in Köln gemietetes Einfamilienhaus ordentlich mit der Begründung gekündigt, dass er bei Fortführung des bestehenden Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert sei und dadurch erhebliche Nachteile erleide. Der Vermieter stützte sich auf eine bereits erteilte Baugenehmigung für ein Neubauvorhaben, das 24 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von über 1.800 qm ausweist. Damit würde der vorhandene Wohnraum des bisherigen Hauses um ein Sechsfaches vergrößert werden. Die Rentabilität des Vorhabens wurde seitens des Vermieters umfassend dargelegt. Ferner wird das Bauvorhaben mit öffentlichen Mitteln zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge gefördert. Ein Mietvertrag mit der Stadt Köln liegt bereits vor. Das AG Köln hatte die Räumungsklage des Vermieters gleichwohl abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Vermieters.

Entscheidung

Mit Erfolg! Das Landgericht verurteilt die Mieter, das Einfamilienhaus zu räumen und an den Vermieter herauszugeben. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Verwertung, die mit dem Abriss des vorhandenen Gebäudes und seine Ersetzung durch einen Neubau grundsätzlich gegeben ist, auch angemessen i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist. Angemessen ist eine wirtschaftliche Verwertung dann, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird (vgl. BGH, IMR 2009, 75). Hiervon ist auszugehen, wenn der Erhalt des Gebäudes unrentabel ist und keine Gründe des Denkmalschutzes oder bauordnungsrechtliche Hindernisse dem Neubauvorhaben entgegenstehen. Unter allen Gesichtspunkten handelt es sich um ein förderungswürdiges, nicht jedoch um ein rechtlich missbilligtes Vorhaben. Zur Feststellung, ob der Vermieter durch die Nichtverwertung erhebliche Nachteile erleidet, stellt das Landgericht auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 2 GG ab. In der nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderlichen Abwägung stehen sich das Bestandsinteresse des Mieters und das Verwertungsinteresse des Vermieters gegenüber. Maßgebender Gesichtspunkt für das Gericht ist hier die jeweilige Sozialpflichtigkeit beider Grundrechtspositionen. Die Sozialpflichtigkeit ist daher auch auf Seiten des Mieters bezüglich seines aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Besitzrechts zu berücksichtigen. Ausschlaggebend ist letztlich der Gesichtspunkt, dass das Neubauvorhaben in erheblichem Maße sozialen Wohnraum schafft.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt, dass die fundierte Vorbereitung der Verwertungskündigung in Form einer bereits erteilten Baugenehmigung, der Einholung einer Förderzusage und der Vorlage eines bereits abgeschlossenen Mietvertrags mit der Stadt letztlich zum Erfolg führten. Eine intensive Vorbereitung sämtlicher maßgebender Aspekte ist daher unerlässlich.

RAin und FAin für Miet‑ und Wohnungseigentumsrecht Dr. Melanie Ramm, Hamburg

IMR 2018, 278

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