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Vorvertragliche Pflichtverletzung: Schadensersatz trotz Gewährleistungsausschlusses?

1. Trotz wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses für Rechts‑ und Sachmängel und ohne dass dem Verkäufer Arglist nachgewiesen werden muss, kann die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten einen Schadensersatzanspruch auslösen.

2. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Aufklärungspflichtverletzung kann darin begründet sein, dass der Verkäufer einer Eigentumswohnung auch ohne Nachfrage des Erwerbers nicht darüber aufklärt, dass auf dem Nachbargrundstück eine Bebauung geplant wird.

LG Hamburg, Urteil vom 04.07.2017 ‑ 326 O 193/15

BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Die Beklagte (Verkäuferin) war Eigentümerin einer Eigentumswohnung. Mit deren Verkauf beauftragte sie einen Makler. Durch den Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Verkäuferin Kenntnis davon, dass der Nachbar auf seinem Grundstück eine Bebauung plant. Erstmalig im Beurkundungstermin trafen sich die Eigentümerin und die klagenden Käufer. Im Kaufvertrag war ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss vereinbart. Ungefähr ein halbes Jahr nach Abschluss des Kaufvertrags wurde die Bebauung auf dem Nachbargrundstück abgerissen und ein mehrstöckiges Mehrfamilienhaus errichtet. Die Käufer vertreten die Auffassung, dass ihnen gegenüber der Verkäuferin ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten i.H.v. 10% des Kaufpreises zustehe. Denn die Verkäuferin hätte auch ungefragt darüber informieren müssen, dass auf dem Nachbargrundstück eine Bebauung geplant sei. Die Verkäuferin verweist ihrerseits auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss und darauf, dass es keine Verpflichtung gibt, ungefragt über Tatsachen aufzuklären, die nicht Gegenstand von Vertragsverhandlungen waren und deren bezüglich die Verkäuferin auch nicht erkennen konnte, dass sie für die Käufer von Bedeutung sein könnten.

Entscheidung

Das sieht das Landgericht in seiner Entscheidung gestützt auf § 311 BGB anders. Zwar seien aufgrund des wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses Gewährleistungsansprüche nicht gegeben und darüber hinaus seien Bebauungsabsichten von Nachbarn nicht geeignet, einen Sachmangel zu begründen. Trotzdem würde den Käufern neben dem allgemeinen Gewährleistungsrecht aus § 311 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten zustehen. Denn die Verkäuferin hätte ungefragt aufgrund dieser Aufklärungspflicht über die geplante Bebauung auf dem Nachbargrundstück informieren müssen. Den Schaden schätzt das Gericht darüber hinaus, sachverständig beraten, gem. § 287 ZPO dann mit 5% des Kaufpreises.

Praxishinweis

Die Entscheidung hätte es verdient, im Berufungsrechtszug überprüft und korrigiert zu werden. Denn mit der Argumentation des Landgerichts kann künftig bei jedem Kaufvertrag über eine Immobilie, der einen wirksamen Gewährleistungsausschluss beinhaltet, quasi über die Hintertür einer angeblichen vorvertraglichen Aufklärungspflicht ein Schadensersatzanspruch zugesprochen werden, wenn nur vom Käufer nachträglich ein Sachverhalt nachvollziehbar geschildert werden kann, über den er hätte aufgeklärt werden wollen und der in irgendeinem Zusammenhang mit einem wertbildenden Faktor einer Immobilie steht. Öffentlich‑rechtlich hat hierzu erst jüngst das OVG Schleswig im Beschluss vom 01.02.2017 (Az.: 1 LA 49/16) entschieden, dass es selbst verfassungsrechtlich keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung einer freien Aussicht gibt.

RA und FA für Bau‑ und Architektenrecht, FA für Handels‑ und Gesellschaftsrecht Dr. Bernd Kober, Wertheim

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