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Schutz der Ehewohnung bleibt bis zur Rechtskraft der Scheidungssache unangetastet

1.
Bis zur Rechtskraft der Scheidungssache bleibt der Schutzstatus der Ehewohnung, auch im Rahmen der Teilungsversteigerung, bestehen.

2.
Die Widmung als Ehewohnung stellt auch in der Teilungsversteigerung ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.d. § 771 ZPO dar.

3.
Für die Verwertung der Ehewohnung in der Trennungszeit bedarf es auch im Rahmen der Teilungsversteigerung der gemeinschaftlichen Einigung über die Aufhebung der Eigenschaft als Ehewohnung (§§ 1365, 1369 BGB).

4.
Auch der Beitritt zum Teilungsversteigerungsverfahren stellt keine Entwidmung der Ehewohnung dar.

OLG Hamburg, Beschluss vom 28.07.2017 ‑ 12 UF 163/16, Volltext: IMRRS 2018, 0177 = BeckRS 2017, 131926
BGB §§ 242, 985, 136 1b, 1365; FamFG §§ 58, 70 Abs. 2, § 117 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 771; ZVG § 180 Abs. 2, 3

Problem/Sachverhalt

Die verheirateten Parteien leben seit längerem getrennt, die Ehefrau bewohnt weiterhin das Anwesen allein. Das Anwesen steht jeweils hälftig im gemeinschaftlichen Eigentum der Eheleute. Der Ehemann betreibt nach drei Jahren Trennung die Teilungsversteigerung, da sich die Parteien nicht über die weitere Behandlung der Liegenschaft einigen können. Die Ehefrau wehrt sich gegen die Aufhebung der Gemeinschaft im Rahmen der Teilungsversteigerung. Das zuständige AG, Familiengericht Hamburg, hat ausgeführt, dass familienrechtliche Ausnahmetatbestände aus § 1365 BGB (Verfügung über das wesentliche Vermögen) sowie § 1353 BGB (Gebot der ehelichen Rücksichtnahme) keine der Aufhebung der Gemeinschaft entgegenstehenden Rechte wären. Gegen den Beschluss legt die Ehefrau Beschwerde ein.

Entscheidung

Mir Erfolg setzt sich die Ehefrau mit ihrer Beschwerde beim OLG Hamburg durch. Dem Recht des Ehegatten auf Aufhebung der Eigentümergemeinschaft an der Ehewohnung steht während der Trennungszeit ein die Veräußerung hinderndes Recht im Rahmen der Fortdauer der Widmung als Ehewohnung gegenüber. Das OLG Hamburg führte den im Laufe des Verfahrens im Beschluss des BGH vom 28.09.2016 (IMRRS 2016, 1697 = BeckRS 2016, 19363) neu dargelegten Grundsatz weiter, wonach aus Treu und Glauben der Schutz der Ehewohnung während der Ehezeit dem Herausgabeverlangen bzw. Veräußerungswillen des Alleineigentümers vorgeht. Der Senat hält es für geboten, den vom BGH gewährten Schutzbereich für Alleineigentümer auf die Situation einer Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer ehelichen Eigentümergemeinschaft anzuwenden. Den Schutzbereich der Familie sieht das Gericht als zulässige Inhalts‑ und Schrankenbestimmung. Der Schutzbereich der Familie greift auch im Rahmen eines Teilungsversteigerungsverfahren, das zur Aufhebung der Eigentümergemeinschaft von Eheleuten stattfindet. Eine Interessenabwägung für den Einzelfall wird ebenfalls nicht in Erwägung gezogen. Ebenso wenig wird der (taktische) Beitritt des geschützten Ehegatten zur Teilungsversteigerung als Entwidmungsakt angesehen.

Praxishinweis

Der abgeurteilte Sachverhalt kommt häufig in der Praxis vor. Zu empfehlen ist eine frühzeitige Verständigung der Eheleute über die Zukunft der gemeinsamen Immobilie. Und dies nicht nur, um Wertverluste im Rahmen der Teilungsversteigerung zu vermeiden. Allein eine Vereinbarung der Eheleute über die Verwertung der Ehewohnung berechtigt vor Scheidung zur Teilungsversteigerung. Soweit keine Einigung gefunden werden kann, hilft nur die Einleitung des Scheidungsverfahrens.

RAin und FAin für Familienrecht Christine Englert, Schrobenhausen
IVR 2018, 38

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