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Räumungsfristen in Zeiten von Corona

1.
Gerichtliche Räumungsfristen sind derzeit in Berlin gem. § 721 ZPO grundsätzlich jedenfalls bis zum 30.06.2020 zu erstrecken oder auf Antrag entsprechend zu verlängern. Die erlassenen Landesverordnungen zur Eindämmung des Coronavirus haben das öffentliche Leben im Land Berlin weitgehend beschränkt und zum Erliegen gebracht, so dass die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum für einen zur Räumung verpflichteten Mieter derzeit überwiegend unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen ist.*)

2.
Eine davon abweichende Bemessung oder die Versagung der Räumungsfrist kommen ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Verbleib des Räumungsschuldners in der Mietsache eine Gefahr für Leib oder Leben begründet oder gleichrangige Interessen des Vermieters oder Dritter eine umgehende Räumung der Mietsache gebieten.*)

LG Berlin, Beschluss vom 26.03.2020 - 67 S 16/20
ZPO § 721

Problem/Sachverhalt

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sind umfassend: Ganz abgesehen von dem Leid der Corona-Virus-Betroffenen hat der aktuelle "Shut-Down" mannigfaltige Folgen für alle Lebensbereiche, also auch für den Rechtsstaat. Das LG Berlin hatte nun zu entscheiden, ob und inwieweit die Einschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie die Verlängerung einer gerichtlichen Räumungsfrist rechtfertigen. Der Räumungsschuldner begehrt die Verlängerung einer ursprünglich bis 31.03.2020 gewährten Räumungsfrist bis nunmehr 30.06.2020 mit der - unbestrittenen - Begründung, er sei infolge der pandemiebedingten Einschränkungen an der Beschaffung von Ersatzwohnraum gehindert.

Entscheidung

Mit Erfolg. Nach der Rechtsprechung der entscheidenden Kammer ist für den Erfolg des Verlängerungsantrags wesentlich, ob die im Urteil gewährte Räumungsfrist hinreichend lang bemessen ist, um dem Mieter die Erlangung von Ersatzwohnraum zu ermöglichen. Dies ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil die in Berlin ohnehin wegen des angespannten Wohnungsmarkts erschwerte Wohnraumsuche in Zeiten der Verordnungen zur Eindämmung des Coronavirus überwiegend unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen ist. Bei der Entscheidung konnte eine Bemessung einer der aktuellen Situation angepassten, angemessenen Räumungsfrist dahinstehen, weil der Räumungsschuldner nur eine Fristverlängerung bis 30.06.2020 beantragt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist sie in jedem Fall zu verlängern. Das Gericht geht sogar so weit, eine generelle Erstreckung/Verlängerung von Räumungsfristen bis 30.06.2020 für geboten zu erachten, wenn nicht ausnahmsweise eine umgehende Räumung der Mietsache geboten ist, weil der Verbleib zu einer Gefahr für Leib oder Leben des Räumungsschuldners führt oder gleichrangige Interessen des Vermieters oder eines Dritten bestehen.

Praxishinweis

Die Entscheidung überrascht nicht. Insbesondere im Kontext mit dem am 25.03.2020, also einen Tag vor diesem Beschluss, vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie ist die zeitliche Festlegung auf den 30.06.2020 nachvollziehbar. Der Gesetzgeber hat in Art. 240 § 2 EGBGB nämlich geregelt, dass Mieter infolge der Pandemie jedenfalls bis 30.06.2020 vor Vermieterkündigungen wegen Zahlungsverzugs geschützt werden sollen, wenn binnen zwei Jahren nachbezahlt wird. Daran wird erkennbar, dass der Gesetzgeber zumindest bis 30.06.2020 von einem pandemiebedingten Ausnahmezustand ausgeht, während dessen der Mieter besonders schutzwürdig ist. Dieser Ansatz dürfte auf die Gewährung von Vollstreckungsschutz zu übertragen sein. Im Übrigen ist zu erwarten, dass die Erstreckung/Verlängerung von Räumungs- und Vollstreckungsschutz auch bei einer Verlängerung des pandemiebedingten Ausnahmezustands bis 30.09.2020 angepasst wird, wenn die Bundesregierung von ihrer gesetzlich eingeräumten Ermächtigung Gebrauch macht.

RAin Alice Burgmair, München

IVR 2020, 57

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