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Paritätisches Wechselmodell: Nicht beide Elternteile müssen zustimmen

Bei der Entscheidung über ein paritätisches Wechselmodell ist das Kindeswohl entscheidend. Auch der Kindeswille spielt eine wichtige Rolle. Entspricht das Wechselmodell, bei dem die getrenntlebenden Eltern jeweils die Hälfte der Zeit die Kinder betreuen, dem Kindeswohl am besten, kann das Gericht dies festlegen. Nicht erforderlich ist, dass beide Elternteile einverstanden sind.

Die Eltern der Zwillingsmädchen hatten nach ihrer Trennung den Umgang der Kinder mit beiden Elternteilen außergerichtlich unter sich geregelt. Sie praktizierten außerhalb der Schulferien einen erweiterten Umgang: Die Mädchen waren alle zwei Wochen von Freitag nach Schulende bis zum darauf folgenden Mittwochmorgen beim Vater. Zudem verbrachten sie jeden Dienstagnachmittag ab dem Ende der Kernzeitbetreuung beim Vater.

Das Familiengericht ordnete dann auf Wunsch des Vaters, aber gegen den Willen der Mutter ein paritätisches Wechselmodell an. Das bedeutete, dass die Zwillinge mit jeweils die Hälfte der Zeit bei der Mutter und beim Vater verbringen würden. Die Beschwerde der Mutter dagegen blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht teilte die Einschätzung des Familiengerichts, dass die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells dem Wohl der beiden Kinder am besten entspreche.

Die Zwillinge hätten ein inniges und unbelastetes Verhältnis zu beiden Elternteilen. Sie fühlten sich in beiden Haushalten wohl und kämen mit dem Wechsel von einem in den anderen gut klar. Beide Haushalte seien kindgerecht gestaltet. Vater und Mutter seien uneingeschränkt erziehungsfähig. Darüber hinaus lägen die Erziehungsstile der Eltern auch nicht so weit auseinander, dass dies einem paritätischen Modell widerspräche. Unterschiedliche Auffassungen zu Themen zu erleben, fördere bei Kindern die Toleranz und die Akzeptanz anderer Meinungen und erweitere so den Horizont. Die Eltern seien in der Lage, sich über grundlegende Angelegenheiten der Kinder auszutauschen und auch eine Lösung zu finden.

Hinzu komme, dass sich durch den Wechsel zum paritätischen Wechselmodell zeitlich nur wenig ändere. Schon bisher habe der Betreuungsanteil des Vaters 42 Prozent betragen ‑ zukünftig seien es 50 Prozent.

Das Gericht hatte die Kinder getrennt angehört. Beide Mädchen wollten gerne abwechselnd und jeweils gleich lang bei Mama und Papa sein. Es sei deutlich geworden, dass das ihrem Wunsch und ihrem Gerechtigkeitsempfinden entspreche. „Offenkundig wird die gleichmäßige Aufteilung der Betreuungszeiten zwischen Mutter und Vater als natürliche und angemessene Problemlösung in der Trennungssituation empfunden.“

Die Richter maßen den Wünschen und Aussagen der Kinder großes Gewicht bei. Die Ermittlung des Kindeswillens diene auch dazu, die Selbstbestimmung des heranwachsenden Kindes zu fördern, betonten sie. Je älter das Kind sei, desto mehr trete das in den Vordergrund. Dem übereinstimmenden Willen der immerhin schon acht Jahre und zehn Monate alten Kinder komme eine besondere Bedeutung zu. Es wäre ihnen nur schwer zu vermitteln, warum das Gericht sie zwar mehrfach anhöre, sich dann aber dennoch über ihren klar formulierten Willen hinwegsetze. Eine Entscheidung, die den Kindeswillen einfach ignoriert, würde zu einer Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls der Kinder führen und daher nicht ihrem Wohl entsprechen.

Voraussetzung für die Anordnung eines Wechselmodells sei, dass die geteilte Betreuung im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl am besten entspreche. Es müsse jedoch zwischen den Eltern kein Konsens über die Betreuung im Wechselmodell bestehen, so die Richter.

Oberlandesgericht Stuttgart am 23. August 2017 (Az: 23.08.2017)

„Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)“

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