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Mieter ist Messie: Kein Kündigungsgrund!

1.
Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung liegt dann vor, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet.

2.
Eine Gefährdung der Mietsache liegt vor, wenn die Mietsache durch Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist oder wenn das Risiko des Eintritts eines Schadens signifikant höher ist als bei vertragsgerechtem Verhalten.

3.
Eine grenzwertige Ansammlung von Papier, Textilien und Erinnerungsstücken berechtigt nicht zur ordentlichen Kündigung, wenn die Wohnung nicht mit Schimmel oder Ungeziefer befallen ist, die Statik nicht beeinträchtigt wird und die Durchführung von Reparaturarbeiten noch möglich ist.

4.
Die bloße Schaffung einer abstrakten Gefahr für das Mietobjekt ist vom Vermieter hinzunehmen.

LG Münster, Urteil vom 16.09.2020 - 1 S 53/20

BGB §§ 546, 573 Abs. 1, 2 Nr. 1

Problem/Sachverhalt

Die Wohnung des Mieters (M) ist mit Papier, Textilien und Erinnerungsstücken derart überfrachtet, dass insbesondere das Betreten von Küche und Bad kaum noch möglich ist. Der Vermieter (V) befürchtet eine Gefährdung der Mietsache, rügt die zweckwidrige Nutzung des Mietobjekts und kündigt den Mietvertrag fristlos, hilfsweise ordentlich. Ein im Rahmen der Räumungsklage eingeholtes Sachverständigengutachten kommt zum Schluss, dass kein aktiver Befall mit Schimmelpilzen gegeben ist, eine Gefährdung der Bausubstanz durch Schimmelpilzwachstum oder andere Pilze, Säuren oder Chemikalien nicht vorliegt und auch keine Schädlinge vorhanden sind. Auch funktioniere die Luftzirkulation trotz der gelagerten Materialien. V beharrt dennoch auf seinem Räumungsverlangen: Die Nutzung stelle zumindest eine abstrakte Gefahr für die Mietsache und die anderen Bewohner dar. In Küche und Bad bestehe wegen der Wasserentnahmestellen ein besonderes Risiko. Im Falle eines Wasserrohrbruchs könnten die Leitungen nicht rechtzeitig erreicht werden. Es sei V nicht zuzumuten, erst einen Schadensfall abwarten zu müssen.

Entscheidung

Das Gericht hält die Kündigung für unzulässig! Ein Kündigungsgrund liegt nicht vor. Es steht weder V noch dem Gericht zu, M eine bestimmte Lebensform vorzugeben oder die eigene Auffassung von Wohnen als Maßstab anzusetzen. Eine Beschädigung der Gebäudesubstanz liegt ebensowenig vor wie die signifikante Erhöhung der Gefahr eines Schadenseintritts. Eine bloß abstrakte Gefahr für das Mietobjekt stellt keinen Kündigungsgrund dar. Vielmehr besteht in jedem Mietverhältnis die abstrakte Gefahr einer etwaigen Schädigung. Im Falle eines Wasserrohrbruchs kann zunächst der Wasserzulauf abgesperrt werden. Dass sich der Zugang zum Schadensort dann schwierig gestaltet, ist auch bei einer aufgeräumten Wohnung nicht auszuschließen, etwa wenn sich die Stelle hinter einem Schrank befindet.

Praxishinweis

Das Urteil stellt fast lehrbuchhaft die Bedingungen auf, unter denen die Kündigung eines Mieters wegen dessen Messiesymptoms möglich ist. Solange nicht das Mietobjekt gefährdet oder andere Bewohner belästigt werden, kann der Mieter seine Wohnung gestalten, wie er möchte. Wird vom Vermieter mit abstrakten Gefahren argumentiert, soll meist doch nur durch die Hintertür der eigene Ordnungsmaßstab unter dem Deckmantel der Objektivität angesetzt werden - ob ein Papierhaufen tatsächlich besser brennt als ein Bücherregal, ist fraglich. Insoweit gibt das Urteil eine gute Leitlinie für zukünftige Fälle.

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Andreas Reng, München
IMR 2021, 14

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