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Kündigung eines psychisch kranken Mieters wegen Störung des Hausfriedens?

1. Der Vermieter kann das Mietverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grunds fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt gem. § 569 Abs. 2 BGB vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

2. Ist ein Mieter schuldunfähig psychisch erkrankt und wird durch sein Verhalten der Hausfrieden nachhaltig gestört, so sind die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 08.12.2004 - VIII ZR 218/03, IMRRS 2005, 1528).

LG Hamburg, Beschluss vom 23.06.2021 - 316 T 24/21
BGB § 543 Abs. 1, § 546 Abs. 1, § 569 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Der Vermieter hat das langjährige Mietverhältnis mit dem Mieter über eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus außerordentlich fristlos wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens gekündigt. Der Mieter leidet unter einer paranoiden Schizophrenie, rezidivierenden depressiven Störungen sowie einer emotional‑instabilen Persönlichkeitsstörung. Aufgrund dieser psychischen Erkrankung griff er einen Mitbewohner des Hauses tätlich an, nachdem dieser ihm den Zutritt zu seiner Wohnung verweigerte. Der Mieter vermutete in der Wohnung seine Katze. Nach Verweigerung des Zutritts packte der Mieter den Mitbewohner an den Haaren und drückte diesen an die Wand. Nachdem die Wohnungsschlüssel nicht herausgegeben wurden, versprühte der Mieter einen Stoß Pfefferspray und nahm dem Mitbewohner die Schlüssel ab, um im Anschluss die Wohnung nach seiner dort vermuteten Katze erfolglos zu durchsuchen. Der Vermieter klagte nach Ausspruch der Kündigung auf Herausgabe der geräumten Wohnung. Die in diesem Verfahren seitens des Mieters beantragte Prozesskostenhilfe lehnte das Amtsgericht wegen fehlender Erfolgsaussichten ab. Gegen diese Entscheidung legte der Mieter sofortige Beschwerde ein.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Landgericht weist die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass die Rechtsverteidigung des Mieters keine hinreichenden Erfolgsaussichten aufweise. Die fristlose Kündigung sei wirksam, da dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Das Landgericht stützt sich auf die im BGH-Urteil vom 08.12.2004 vorgegebene Prüfungsgrundlage: Bei der Störung des Hausfriedens durch einen schuldunfähigen, psychisch kranken Mieter seien die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters gegeneinander abzuwägen. Allerdings ende das "Toleranzgebot" dort, wo der kranke Mieter die Gesundheit anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährde. Eine solche Gesundheitsgefährdung sieht das Gericht vorliegend als gegeben, so dass die Interessenabwägung zu Gunsten des Vermieters im Hinblick auf die Interessen der anderen Bewohner ausfallen musste.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist beizupflichten, da der Vermieter bei einer bestehenden bzw. eingetretenen Gesundheitsgefährdung die anderen Hausbewohner zu schützen hat und ihm dies nur in Form einer sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung möglich ist.

RAin und FAin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Dr. Melanie Ramm, Hamburg
IMR 2021, 495

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