1.
Bei Zahlungsverzug mit mehr als zwei Monatsmieten oder mit mehr als einer Monatsmiete von mehr als einem Monat ist eine ordentliche Kündigung möglich.
2.
Auch Zahlungsrückstände unter 2.000 Euro sind bereits keine geringfügigen Forderungen.
AG Mitte, Urteil vom 04.09.2019 - 9 C 104/19
BGB § 546 Abs. 1, § 566 Abs. 1, § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1, §§ 985, 986
Problem/Sachverhalt
Die Parteien sind durch einen Mietvertrag miteinander verbunden. Die Gesamtmiete betrug zuletzt 617 Euro. Für die Monate Februar und März 2019 erfolgen aus Sicht des Mieters versehentlich keine Zahlungen. Der Vermieter kündigt deshalb das Mietverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich. Der Mieter widerspricht der Kündigung unter dem Gesichtspunkt des "Rechtsmissbrauchs", da der BGH "in seinen Entscheidungen bislang nicht berücksichtigt (...), dass nach der gegenwärtigen Ausgestaltung des Rechts der ordentlichen Kündigung eine plan- und systemwidrige Gesetzeslücke bestehen" würde. Außerdem würde wegen der nachträglichen und vollständigen Zahlung der Mieten für die Monate Februar und März 2019 das Verschulden des Mieters i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB hier in einem milderen Licht zu sehen sein.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Entgegen der Auffassung des Mieters liegen keine (gewichtigen) Umstände des Einzelfalls vor, die auf seiner Seite und zu seinen Gunsten hätten zum Tragen kommen können und die Nichtzahlung der vertraglich vereinbarten Brutto-Warm-Miete für die Monate Februar und März 2019 über immerhin mehr als 1.200 Euro trotz entsprechender vertraglicher Verpflichtung als nicht erheblich genug erscheinen lassen (vgl. BGH, NJW 2016, 849 m.w.N.). Des Weiteren beruhte die anfängliche, in Rede stehende Nichtzahlung des Mieters auch nicht auf dessen unverschuldeter wirtschaftlicher Notlage (vgl. BGH, NJW 2016, 849 m.w.N.), sondern auf einem selbst eingeräumten "Versehen". Geradezu eine Frechheit - im Lichte des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB - ist es dann vom Mieter bzw. dessen Prozessbevollmächtigten hier auch noch zu meinen, dass das Gericht die Nichterwähnung der nachfolgenden - und gegenteiligen - Entscheidung des BGH erkennen musste bzw. ihm auch noch das Befolgen der nämlichen abweichenden Rechtsauffassung der 66. Zivilkammer des LG Berlin regelrecht "aufzudrängen".
Praxishinweis
Das Gericht führt aus, dass der Mietrückstand von 1.234,26 Euro im Rahmen der Abwägung des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zwingend mit der entsprechenden Grenze von 2.000 Euro aus § 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nummer 861/2007 über geringfügige Forderungen zu vergleichen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum diese Geringfügigkeitsgrenze erst - und absolut - bei 2.000 Euro liegen soll: Denn zum einen ist eine solche absolute Grenze - und in dieser Höhe - bislang wohl von noch niemandem sonst vertreten worden. Der BGH hatte auch nur in dem ihm vorliegenden Fall einen Betrag von 43,88 Euro als eine ordentliche Kündigung nicht tragend angesehen. Zum anderen beruht § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf dem autonomen nationalen Recht der Bundesrepublik Deutschland, so dass es dann deutlich sachnäher wäre, die Wertgrenze aus einer eben solchen Norm - des § 495a Satz 1 ZPO - als Wertungsmaßstab heranzuziehen, die aber nur 600 Euro ausmacht, also gerade einmal 30% von der Vorstellung des europäischen Verordnungsgebers mit 2.000 Euro.
RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, FA für Sozialrecht, FA für Medizinrecht Maik Fodor, Friedrichshafen
IMR 2020, 236