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"Heimliche" Videoüberwachung gegenüber Mietern kann grundrechtswidrig sein!

Das Vorbringen des Vermieters zu dem von ihm behaupteten Kündigungsvorwurf unterfällt einem Sachvortragsverwertungsverbot, wenn der Parteivortrag auf Informationen beruht, die er unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mieters auf grundrechtswidrige Weise erlangt hat (hier: Einsatz überwachungsstaatlicher Ausforschungsmethoden durch ein landeseigenes Wohnungsunternehmen gegenüber einem Wohnraummieter zur Erhärtung des bestehenden Verdachts unbefugter Gebrauchsüberlassungen an Dritte).*)

LG Berlin, Urteil vom 13.02.2020 - 67 S 369/18
BGB §§ 535, 543 Abs. 1, 2 Nr. 2, 3a, § 546 Abs. 1, § 553 Abs. 1, 2, § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 823 Abs. 1, § 985

Problem/Sachverhalt

Der Vermieter machte gegen die Mieter die Räumung einer Wohnung nach einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung wegen der Überlassung an Dritte und Zahlungsverzug geltend. Widerklagend machten die Mieter Ansprüche auf Schadensersatz geltend. Zum Beweis der unbefugten Untervermietung installierte der Vermieter unsichtbar Videokameras "vor" der Mietwohnung. Die gespeicherten Aufnahmen nutzte der Vermieter als Beweismittel im Prozess zur Begründung der fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung. Infolgedessen machten die Mieter widerklagend Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der "heimlichen" Videoüberwachung geltend.

Entscheidung

Die Räumungsklage wird abgewiesen. Es handelt sich nicht um ein "Scheinurteil", da das Urteil wirksam verkündet wurde (BGH, NJW 2015, 2342). Das einfache Bestreiten des Kündigungsgrunds reiche aus. Die unbefugte Gebrauchsüberlassung an "Dritte" sei aber durch die "heimlichen" Videoaufzeichnungen nicht beweisbar gewesen, dies sei lediglich im Fall "schwer wiegender" Pflichtverletzungen im Einzelfall geboten (BAG, NJW 2017, 2853 Rz. 30). Im Rahmen der Interessenabwägung liege hier kein überwiegendes Vermieterinteresse vor. Der Vermieter habe die Informationen "grundrechtswidrig" erlangt, da der Vermieter die Mieter "planvoll" über einen erheblichen Zeitraum "ausgespäht" habe. Auch andere Beweismittel wie die Befragung von Nachbarn oder Hausbediensteten seien hier geboten gewesen. Gleichwohl habe der Vermieter "überwachungsstaatliche Methoden" genutzt. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld hingegen bestehe nicht. Die Mieter hätten das Verhalten durch den Verdacht der konsequent unbefugten Untervermietung veranlasst, so dass der Vermieter allenfalls leicht fahrlässig gehandelt habe. Er sei als landeseigenes Wohnungsunternehmen mit übergeordnetem Beweggrund in Zeiten allgemeiner Wohnungsknappheit davon geleitet gewesen. Das Verhalten sei nicht "sanktionslos" geblieben, da die Räumungsklage abgewiesen worden sei und Kosten der "Überwachung" für den Vermieter angefallen seien.

Praxishinweis

Die Begründung überzeugt! Die Videoüberwachung kann nur "Ultima Ratio" sein, um erhebliche Pflichtverletzungen des Mieters zu beweisen. Dies gilt deshalb, weil auch bei erheblichen Pflichtverletzungen die Verhältnismäßigkeit der Parteiinteressen zu wahren ist. Die "heimlichen" Videoaufnahmen können im Zivilprozess einem Sachverwertungs- und Beweisverwertungsverbot unterliegen, so dass auf jeden Fall eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen ist (Elzer, FD-ZVR 2020, 427723). Allerdings begründet nicht jede Persönlichkeitsrechtsverletzung aufgrund der Videoüberwachung auch gleichzeitig einen Schmerzensgeldanspruch. Hierfür kommt es entscheidend auf die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs an (LG Berlin, Beschluss vom 02.10.2019 - 65 S 1/19, IMRRS 2019, 1231). Da es sich bei der Zulässigkeit der Videoüberwachung und dem Anspruch auf Schmerzensgeld wegen unbefugter Videoüberwachung um "klärungsbedürftige" Grundsatzfragen handelt, ist die Zulassung der Revision durch das Landgericht zu begrüßen. Die Beantwortung der Fragen durch den BGH bleibt "offen".

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Kai-Uwe Agatsy, Berlin

IMR 2020, 262

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