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Fristlose Kündigung bei groben Beleidigungen

1.
Bei einer Störung des Hausfriedens muss nicht stets das genau gleiche Verhalten abgemahnt werden, das sich wiederholt, sondern es gilt das hausfriedenstörende Gesamtverhalten zu betrachten.

2.
Aus der Abmahnung muss dann nur deutlich werden, dass jedwede Störung des Hausfriedens zu unterbleiben hat.

3.
Beleidigungen gröbster Natur, nächtliche Ruhestörungen, Sachbeschädigungen und Bedrohung der Mitmieter rechtfertigen - nach einer Abmahnung - eine fristlose Kündigung - auch gegenüber einem Mieter mit posttraumatischer Belastungsstörung.

AG Schöneberg, Urteil vom 17.06.2019 - 5 C 318/18
BGB § 241 Abs. 2, § 543 Abs. 1, 3, §§ 546, 569 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Die Parteien streiten um die fristlose Kündigung eines Mieters, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, zu deren Symptomen u. a. das Beleidigen gehört. Nach Abmahnungen im Jahr 2017 war es - u. a. wegen einer Therapie - zu Ruhezeiten gekommen. Im Sommer 2018 soll der Mieter wieder Passanten beschimpft und sogar mit einer Bierflasche beworfen haben, was zur erneuten Abmahnung führte. Nachdem er kurz danach Nachbarn als "Nazi-Schlampe" bzw. "Scheiß Araber" betitelt und bedroht haben soll, wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen.

Entscheidung

Zu Recht! Die Kündigung (§ 543 Abs. 1 Satz 1, § 543 Abs. 3, § 569 Abs. 2 BGB) ist wegen Störung des Hausfriedens wirksam. Darunter ist die gem. § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht zu verstehen, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Bewohner nicht mehr als unvermeidlich gestört werden ("Friedenspflicht gegenüber der Hausgemeinschaft"). Auch wenn vertreten wird, dass das - abgemahnte - Bepöbeln von Passanten nicht zur Störung des Hausfriedens gehöre, kann dies hier nicht getrennt betrachtet werden, zumal das Schreien - egal an wen gerichtet - zur Nachtzeit eine Störung der Nachtruhe (auch) der Mitmieter war. Bei der Störung des Hausfriedens muss auch nicht stets das gleiche Verhalten abgemahnt werden, das sich wiederholt, sondern es gilt das hausfriedenstörende "Gesamtverhalten" zu betrachten. Andernfalls müsste jede einzelne Beleidigung abgemahnt werden und sich wiederholen. Nach der Beweisaufnahme steht der Zugang der Abmahnung ebenso fest wie die Vorfälle, was das Gericht im Detail ausführt. Bei gebotener Einzelfallprüfung (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB) bestehen an der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung wegen der - unstreitig gestellten - Erkrankung keine Bedenken. Zwar kümmert der Mieter sich durch Therapie um Besserung und ist aktiv um eine konstruktive Lösung mit der Polizei bzw. Feuerwehr bemüht, die er in Flashbacks zu Hilfe ruft, aber deren Hilfe - soweit die Helfer männlich sind - nicht ertragen kann. Die Beeinträchtigungen der Mitmieter im Haus sind aber nicht mehr hinzunehmende Störungen, da es hier um Beleidigungen gröbster Natur, um bedrohliches Verhalten sogar einer Schwangeren gegenüber und Gefährdungen durch unkontrolliertes Verhalten (Bierflaschenwurf) geht, was über das noch tolerable Maß hinausgeht, zumal gerade die für die Erholung wichtige Nachtzeit betroffen ist. Dass es für den Mieter nicht einfach ist, eine neue Wohnung zu finden, kann kein Argument sein. Es steht fest, dass die Störungen ein Ausmaß erreicht haben, das auch bei der gebotenen Rücksichtnahme auf psychisch erkrankte Menschen nicht mehr hingenommen werden kann.

Praxishinweis

Das Gericht hat es sich bei der Abwägung nicht leicht gemacht, ähnliche Fälle tauchen auch in Wohnungseigentumsanlagen auf (AG Pinneberg, IMR 2019, 250). Selbst in der Wohnraummiete haben psychisch Erkrankte trotz der aus Art. 3 Abs. 3 GG abzuleitenden Rücksichtnahmepflicht keinen "Freibrief" (siehe auch LG Frankfurt/Main, IMR 2016, 236). Bei - hier bestehender - Therapiebereitschaft wird man aber krasse Störungen verlangen müssen.

RiOLG Wolfgang Dötsch, Köln
IMR 2020, 14

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