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Fast 40 Jahre "abgetaucht": Mitmieter bleibt Mieter!

1.
Selbst wenn ein Mitmieter seit über 30 Jahren nicht mehr in der Wohnung wohnt, folgt allein hieraus keine konkludente Erklärung oder Vereinbarung über die Entlassung aus dem Mietverhältnis.

2.
Dies grundsätzlich auch dann nicht, wenn in dieser Zeit der gesamte Schriftverkehr nur zwischen dem anderen Mieter und der Vermieterseite geführt wird.

LG Berlin II, Urteil vom 19.11.2024 - 63 S 156/24
BGB §§ 420, 542

Problem/Sachverhalt

1984 mieteten der Kläger und seine Lebensgefährtin eine Wohnung an. Der Vermieter richtete seit 1988 seine Mieterhöhungsbegehren ausschließlich an die Lebensgefährtin, die zwischen 1988 und 2015 acht Zustimmungserklärungen hierzu abgegeben hat. In einem ausschließlich gegen die Lebensgefährtin gerichteten Klageverfahren auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung im Jahr 1996 sowie in weiterer außergerichtlicher Korrespondenz zu Mieterhöhungen in den Jahren 2011 und 2018 hat sich die Lebensgefährtin ebenfalls nicht auf den Mitmieter berufen. In einem weiteren Verfahren auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen vom 29.07.2019 hat sich die Lebensgefährtin darauf berufen, nicht alleinige Mieterin der Wohnung zu sein. Mit Urteil vom 21.05.2021 (63 S 116/20) hat das LG Berlin die Lebensgefährtin zur Zustimmung verurteilt und hierzu ausgeführt, dass sich die Lebensgefährtin, der hiesige Mitmieter und der Vermieter konkludent auf das Ausscheiden des Mitmieters aus dem Mietverhältnis geeinigt hätten. Unter Berücksichtigung der gesamten in den vorangegangenen 30 Jahren ausschließlich mit der Lebensgefährtin geführten Korrespondenz sei es treuwidrig, dass diese sich darauf berufe, dass das Mieterhöhungsverlangen nicht auch an den Mitmieter gerichtet gewesen wäre. Am 13.04.2023 behauptete der Vermieter gegenüber der Lebensgefährtin, dass das Mietverhältnis ausschließlich mit ihr und nicht auch mit dem Mitmieter bestehe, woraufhin der Mitmieter Klage auf Feststellung erhoben hat, dass auch er Mieter der Wohnung sei.

Entscheidung

Während das Amtsgericht die Klage noch abgewiesen hat, wird ihr durch das Landgericht stattgegeben. Der Mitmieter sei ursprünglich unstreitig Mieter geworden. Es könne nach dem Vortrag des Vermieters nicht festgestellt werden, dass der Mitmieter nachträglich konkludent aus dem Mietverhältnis ausgeschieden sei bzw. hieraus entlassen worden wäre. Die hierfür notwendigen Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme lägen nicht vor. Insbesondere gebe es keine Erklärung und auch kein Verhalten des Mitmieters, aus dem der Wunsch oder die Zustimmung zu einer Entlassung aus dem Mietvertragsverhältnis geschlossen werden könne. Auf die zwischen den Parteien strittige Frage, ob der Mitmieter schon vor Jahrzehnten ausgezogen sei oder nicht, komme es nicht an, weil eine Verpflichtung zur Nutzung der Wohnung nicht bestehe. Kenntnis des Mitmieters oder gar eine Zustimmung zu der ausschließlich durch und mit seiner Lebensgefährtin geführten Korrespondenz sei nicht dargelegt worden. Das Urteil vom 21.05.2021 habe lediglich das Verhältnis der Vermieterseite zur Lebensgefährtin betroffen und entfalte somit kein Präjudiz für das Verhältnis zum Mitmieter.

Praxishinweis

Das Urteil ist zutreffend. Für die Entlassung eines Mitmieters aus einem Mietvertragsverhältnis bedarf es einer dreiseitigen Vereinbarung und entsprechender Willenserklärungen. Eine derartige, grundsätzlich auch konkludent mögliche Willenserklärung des klagenden Mitmieters konnte der Vermieter nicht schlüssig vortragen. Der behauptete Auszug als aktives Verhalten reichte hierfür nicht aus. Aus der ansonsten unstreitigen Passivität des Mitmieters ließ sich ebenfalls nichts ableiten. Es konnte nicht schlüssig dargelegt werden, dass der Mitmieter überhaupt Kenntnis von den anderen Vorgängen und somit möglicherweise eine Handlungspflicht gehabt hätte, aus deren Unterlassung etwas hätte geschlossen werden können.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht,
FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Klaus Feckler, Köln
IMR 2025, 231

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