KL
 
 
     
 

Eigenbedarfskündigung für Zweitwohnung?

1.
Will der Vermieter die Wohnung zunächst als Zweitwohnsitz und später im Ruhestand als Altersruhesitz nutzen, stellt dies einen zulässigen Eigenbedarf dar.

2.
Ob der Eigentümer die von ihm für notwendig erachteten Arbeiten zur Anpassung der Wohnung an seine Bedürfnisse beschleunigt durchführt oder sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, berührt die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nicht.

3.
Übernimmt der Käufer die Pflicht, auf Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder wirtschaftlicher Verwertung zu verzichten, und weiter, diese Pflicht auch an seine Käufer weiterzugeben, so handelt es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter (= Mieter). Ansprüche hieraus richten sich aber nur gegen den Käufer. Gibt er diese Pflicht nicht an seine Käufer weiter, kann der Mieter gegen diese Käufer aus dem ursprünglichen Kaufvertrag keine Rechte geltend machen, diese können mithin wegen Eigenbedarfs kündigen.

4.
Die mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten stellen keinen Härtegrund dar.

AG Schöneberg, Urteil vom 24.06.20 - 104 C 37/20

BGB § 126 Abs. 1, §§ 133, 157, 546 Abs. 1, §§ 566, 568 Abs. 1, § 573 Abs. 3 Satz 1, §§ 574, 577a, 985, 986 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Mieter M mietete im Jahr 1985 von einer Wohnungsbaugesellschaft eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Im Jahr 1997 wurde das Gebäude in Wohnungseigentum aufgeteilt und die Wohnung veräußert. Im Kaufvertrag verpflichtete sich der Käufer u. a., auf Kündigungen wegen Eigenbedarfs und wirtschaftlicher Verwertung zu verzichten und diese Pflicht im Falle eines weiteren Verkaufs auch weiterzugeben. M erhielt von diesem Kaufvertrag Kenntnis im Rahmen der Möglichkeit, sein gesetzliches Vorkaufsrecht auszuüben. Beim Weiterkauf im Jahr 2018 wurde die o. g. Verpflichtung indes nicht weitergegeben. Der neue Vermieter V kündigte das Mietverhältnis im Mai 2019 wegen Eigenbedarfs. Er beabsichtigte, die Wohnung abschnittsweise gemäß den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zu sanieren und zunächst als Zweitwohnsitz, spätestens ab 2023 als Hauptwohnsitz im Ruhestand zu nutzen. Er sei vor ca. 20 Jahren berufsbedingt in eine andere Stadt gezogen, dort aber nie heimisch geworden und habe dort nur eine 1-Zimmer-Wohnung an einer Straße mit erheblichem Verkehrslärm, was seiner Gesundheit abträglich sei und wo er auch keinen Besuch beherbergen könne.

Entscheidung

Das Gericht gibt der Klage statt. Nach Anhörung des V steht für das Gericht der ernsthafte und vernünftige Wunsch des V fest, die Wohnung nach schrittweiser Sanierung selbst zu beziehen. Trotz der schrittweise geplanten Sanierung handle es sich nicht um eine unzulässige Vorratskündigung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Wohnung erst ab einem ungewissen Zeitpunkt selbst genutzt werden solle. Hier seien die Pläne hinreichend konkret; der längere Sanierungszeitraum schade nicht (BGH, IMR 2007, 1122 - nur online). Auch die Nutzung zunächst als Zweitwohnsitz schade nicht, das "Benötigen" im Sinne des Eigenbedarfs setze keine relative Mindestnutzungsdauer voraus (BGH, IMR 2018, 502). Die Wirksamkeit der Kündigung setze auch nicht voraus, dass das Erlangungsinteresse des V das Bestandsinteresse des M überwiege.

Praxishinweis

Das Urteil dürfte der allgemeinen Tendenz zu Eigenbedarfskündigungen entsprechen. Nicht berücksichtigt wurde auch, dass die streitbefangene Wohnung einen sehr günstigen Mietpreis hatte, so dass M bei Umzug auf jeden Fall mehr Miete würde zahlen müssen. Entscheidend ist der nachvollziehbare und substanziierte Vortrag der Vermieterseite.

RAin und FAin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Nele Rave, Frankfurt a.M.
IMR 2021, 65

« zurück

 
     

 
  Lister Meile 89 | 30161 Hannover | Fon 0511 39497220 | Fax 0511 39497225 | info@kl-kanzlei.com Impressum & Datenschutz