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Corona-bedingte Geschäftsschließung: Kein Mangel der Mietsache

1.
Ein Sachmangel von Mietobjekten liegt nicht vor, wenn Geschäfte wegen gesetzlicher Anordnungen zur Eindämmung einer Virus-Pandemie schließen müssen.

2.
Anknüpfungspunkt der Corona-Maßnahme ist nicht die konkrete Beschaffenheit der Mietsache. Es steht die Art der Nutzung der Mietsache im Vordergrund. Die Schließung der Verkaufsstelle verfolgt das Ziel, die Ansammlung von Menschen auf engem Raum zu unterbinden und somit Infektionen vorzubeugen. Das begründet keinen Mietmangel.

3.
Die spezielleren Regelungen des Mietrechts gehen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht vor.

4.
Ferner muss der Mietvertrag nicht wegen Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden, wenn die Existenznot nicht dargelegt werden kann.

LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020 - 11 O 215/20 (nicht rechtskräftig)

BGB §§ 275, 313, 326 Abs. 1, § 535 Abs. 2, § 536 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Der Mieter zahlte im April 2020 keine Miete für seinen angemieteten Gewerberaum, weil er sein Einzelhandelsgeschäft aufgrund gesetzlicher Anordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 18.03.2020 bis zum 20.04.2020 schließen musste.

Entscheidung

Dem Vermieter steht die vertraglich vereinbarte Mietzinszahlung nach § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag zu. Der Mieter kann für den Zeitraum der Filialschließung die Miete nicht wegen eines Sachmangels an der Mietsache nach § 536 Abs. 1 BGB mindern, denn der tatsächliche Zustand weicht nicht vom vertraglich vorausgesetzten Zustand ab. Eine öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkung begründet dann einen Sachmangel, wenn ihre Ursache in der konkreten Beschaffenheit der Mietsache oder ihrer Beziehung zur Umwelt liegt. Allerdings gilt das nicht, wenn die öffentlich-rechtliche Maßnahme nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters verhindert. Die angeordnete Geschäftsschließung betrifft lediglich das Risiko, das Ladengeschäft wirtschaftlich nicht erfolgreich nutzen zu können. Ebenso wenig begründen die Corona-Maßnahmen eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB. Streitgegenständlich ist eine Monatsmiete, deren Ausbleiben ohnehin keine Kündigung des Mietvertrags erlauben würde. Zusätzlich wurde vom Deutschen Bundestag ein pandemiebedingter Kündigungsschutz beschlossen. Weitergehende Ansprüche aus dem Allgemeinen Schuldrecht, wie eine unmögliche Gebrauchsüberlassung aus §§ 275, 280 ff., 323 ff. BGB, werden durch die speziellen Regelungen des Mietrechts nach §§ 535 ff. BGB verdrängt.

Praxishinweis

Das Urteil zeigt auf, dass die pandemiebedingten Geschäftsschließungen keinen Mietmangel begründen, da der vertragsgemäße Gebrauch fortbesteht. Zu beachten ist, dass Mieter weiterhin zur Zahlung der Miete verpflichtet sind. Als Nachteilsausgleich wurde bis zum 30.06.2020 für die Dauer von 24 Monaten für Mieter, die aufgrund von Corona weniger Einnahmen erzielen, die Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausgeschlossen. Sie haben die Mietzinszahlung bis zum 30.06.2022 nachzuholen. Danach droht die Kündigung aufgrund des Zahlungsverzugs. Aktuell ist keine Verlängerung des Kündigungsschutzes für die erneute Geschäftsschließung vorgesehen, da sich die Vertragsparteien während des vergangenen Lockdowns meist privat auf eine Regelung verständigen konnten. Dem Urteil des LG Stuttgart steht ein Bund-/Länderbeschluss vom 13.12.2020 entgegen, durch den die Beschränkungen als schwer wiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage gesetzlich vermutet werden, um Vertragsverhandlungen zu vereinfachen. Es bleibt abzuwarten, wie dies gesetzlich im BGB umgesetzt wird.

Prof. Dr. Antje G. I. Tölle, Berlin und
Wiss.Mit. Michael Ehrentreich, Berlin
IMR 2021, 70

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