KL
 
 
     
 

Corona-Miete: Keine Anpassung nach § 313 Abs. 1 BGB

Erhebliche, aus den Mieteinnahmen abzudeckende Verbindlichkeiten des Vermieters stehen einer Zumutbarkeitsprüfung nach § 313 Abs. 1 BGB entgegen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.09.2021 - 2 U 18/21 (nicht rechtskräftig)
BGB § 275 Abs. 1, § 313 Abs. 1, § 325 Abs. 1, §§ 535, 536

Problem/Sachverhalt

Die Parteien eines Restaurantmietvertrags stritten über die Berechtigung des Mieters zur Feststellung der Reduzierung der Miete für den Zeitraum April bis Juni 2020. Das Landgericht weist die Feststellungsklage des Mieters mit der Begründung ab, dass aufgrund der Betriebsbezogenheit die Corona-Pandemie in die Risikosphäre des Mieters falle und eine Unzumutbarkeit auch wegen des möglichen Außer-Haus-Verkaufs nicht ausreichend dargelegt sei. Hiergegen richtet sich die Berufung des Mieters, der seine Ausführung zur Unzumutbarkeit in der Berufung weiter vertieft.

Entscheidung

Das OLG weist die Berufung zurück. Aufgrund der COVID-19-Pandemie erlassene Corona-Verordnungen haben - auch bei einem Restaurantbetrieb - keinen unmittelbaren Bezug zum Mietobjekt, sondern dienen der Kontaktminimierung, um potenzielle Gefahren zu vermeiden. Die vom Vermieter geschuldete Leistung des Gebrauchs des Mietobjekts bleibt weiterhin uneingeschränkt möglich. Der Verwendungszweck (Restaurant) führt nicht zu einer Risikoübernahme des Vermieters, denn die Schließungsanordnung betrifft lediglich die erfolgreiche Nutzung des Objekts durch den Mieter und damit sein Verwendungsrisiko (OLG Frankfurt, IMR 2021, 191; OLG Köln, IMR 2021, 364). Selbst die Gefahr einer Aerosolinfektion hängt von der Atemluft ihrer Nutzer bzw. deren Lüftungsverhalten ab und bleibt daher nutzerbezogen (entgegen Leo, NZM 2021, 249, 254 f.). Die Unmöglichkeitsregelungen der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB werden nach Überlassung durch §§ 536 ff. BGB verdrängt. Auch der Einordnung der Corona-Pandemie als temporären Gesetzesverstoß, der zur zeitweisen Suspendierung von Vermieter- und Mieterpflichten führen könne, fehlt es an der Umsetzbarkeit. Da die Parteien das Mietobjekt nicht zwischenzeitlich räumen können, um es nach Ende der Beschränkungen neu zu beziehen, würde auf den Vermieter, der über sein Mietobjekt in der Interimsphase nicht frei und anderweitig verfügen kann, letztlich das Pandemierisiko allein verlagert. Die Vermutungswirkung von Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB i.V.m. § 313 Abs. 1 BGB bezieht sich nur auf die tatsächlichen Umstände, nicht aber auf die rechtliche Risikozuweisung durch Vertrag oder Gesetz. Das Zivilrecht ist weder dazu berufen noch in der Lage, einen gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleich herzustellen (OLG Frankfurt, IMR 2021, 191). Umsatzausfälle, die Zurückhaltung des Konsumverhaltens sowie die Beziehungen zu seinen anderen Vertragspartnern (Einkauf, Lieferanten und Energieversorgern) müssen in die Risikoabwägung des Mieters eingestellt werden. Sein Interesse an finanzieller Entlastung führt zwangsläufig zu einer zusätzlichen Belastung des Vermieters, der regelmäßig auf die Mieteinnahmen angewiesen ist, um seine eigenen finanziellen Verpflichtungen bei der Bedienung von Annuitätendarlehen, aber auch die ganz allgemein durch eine Immobilie weiter regelmäßig anfallenden, nicht auf die Mieter umlegbaren Kosten, einschließlich der allgemeinen Lebenshaltungskosten zu erfüllen. Dem Vermieter, der seine vertraglich geschuldete Leistung der Überlassung der Mietsache weiterhin uneingeschränkt erbringt, ist bei erheblichen, aus den Mieteinnahmen abzudeckenden Verbindlichkeiten eine Mietanpassung nicht zumutbar.

Praxishinweis

Offenbleibt die Rechtsfrage, ob historisch bekannte Pandemie- und Seuchenrisiken Teil der Geschäftsgrundlage sind (so Leo, NZM 2021, 251 f.) oder wegen § 536b Satz 1 BGB zum Einwendungsausschluss beim Mieter/Pächter führen. Vermieter sind gut beraten, ihre Gesamtbelastung betreffend die Immobilie, auch im Verhältnis zum Mietertrag, im Streitfall darzulegen, wenn sie ihre Gebrauchsüberlassungspflicht erfüllen.

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Michael E. Freudenreich, Frankfurt a.M.
IMR 2021, 457

« zurück

 
     

 
  Lister Meile 89 | 30161 Hannover | Fon 0511 39497220 | Fax 0511 39497225 | info@kl-kanzlei.com Impressum & Datenschutz