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Corona: Keine Schließung des Verkaufsstands - keine Vertragsanpassung!

1. Für eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage müssen die Umsatzeinbußen unmittelbar auf einer staatlichen Maßnahme zum Infektionsschutz beruhen; es reicht nicht, dass sie lediglich einen Ausfluss solcher Maßnahmen darstellen.

2. Dementsprechend kann ein Mieter, dessen Geschäft von corona-bedingten Schließungen nicht betroffen ist, keine Vertragsanpassung verlangen, nur weil die Kunden ausbleiben.

3. Der Räumungsanspruch wegen Zahlungsverzugs kann im Gewerberaummietrecht nicht durch eine nachträgliche Zahlung zu Fall gebracht werden.

LG Köln, Urteil vom 23.07.2021 - 90 O 11/21
BGB § 313 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Mit Mietvertrag vom 25.01.2000 überlässt der Vermieter dem Mieter im Bereich des Eingangs zum Kölner Hauptbahnhof eine Fläche zum Aufstellen eines Verkaufsstands. Vereinbart ist eine Umsatzmiete mit einer monatlichen Mindestmiete in Höhe von zuletzt 5.000 Euro netto/kalt. Die Umsätze des Mieters gehen während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 von ca. 377.000 Euro des Jahres 2019 auf ca. 283.000 Euro zurück. Der Betrieb des Mieters ist aber nicht von einer staatlichen Schließung betroffen. Der Vermieter kündigt das Mietverhältnis ordentlich zum 31.12.2020. Der Mieter gibt die Fläche nicht zurück und verlangt eine Verlängerung der Mietzeit, um die corona-bedingten Verluste ausgleichen zu können. Der Vermieter kündigt zusätzlich hilfsweise fristlos, da der Mieter seit Februar 2021 keine Zahlungen mehr an den Vermieter leistet. Der Mieter beruft sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage, da durch die Corona-Pandemie die Zahl der Bahnreisenden dramatisch eingebrochen sei und dies unmittelbar seine Umsätze reduziert habe. Der Vermieter erhebt Klage auf Räumung und Herausgabe der Mietfläche.

Entscheidung

Die Klage ist begründet! Das Gericht verneint einen Anspruch des Mieters nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB. Der Mieter sei durch die Corona-Pandemie lediglich mittelbar betroffen. Die Umsatzeinbußen beruhten vorliegend allein auf den Auswirkungen durch ein verändertes Verhalten von potenziellen Reisekunden. Eine unmittelbare Betroffenheit des Mieters durch Maßnahmen zum Infektionsschutz bestehe nicht. Selbst wenn jedoch ein Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGB vorliegen würde, wäre die Klage begründet, da der Vermieter wegen der Nichtzahlung in 2021 wirksam fristlos gekündigt hätte.

Praxishinweis

Jeder andere Ausgang des Rechtsstreits wäre überraschend gewesen. Die derzeit herrschende Auffassung auf Ebene der Landgerichte lehnt regelmäßig selbst bei einem Mieter, dessen Betrieb unmittelbar von einer corona-bedingten Schließung betroffen ist, die Anwendung des § 313 BGB ab. Eine andere Kammer des LG Köln hält § 313 BGB bei Corona sogar generell für nicht anwendbar, da das Moratorium in Art. 240 § 1 EGBGB insoweit Sperrwirkung entfalte (IMR 2021, 406). Im Fall einer nur mittelbaren Betroffenheit wie im vorliegenden Fall muss dann erst recht gelten, dass § 313 BGB nicht anzuwenden ist. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Flut der Entscheidungen und Beiträge zur Bewältigung der Corona-Pandemie im Bereich von gewerblichen Mietverhältnissen kaum noch zu überschauen ist (hierzu hilfreich: Frohn/Kürn, IMR 2021, 343). Der BGH wird im Dezember die Revision gegen die vielfach kritisierte Entscheidung des OLG Dresden (IMR 2021, 190) verhandeln. Es ruhen großen Hoffnungen auf dem BGH, dass er diesen Fall zum Anlass nimmt, möglichst viele der strittigen Fragen zu klären. Bis dahin bleibt, dass Vermieter und Mieter - bereits aus Gründen der Entlastung der Gerichte - gut daran tun, sich gütlich zu einigen und das Mietverhältnis vom Streit über die Rechtslage zu entlasten.

RA Dr. Marc Biebelheimer, Berlin Autorenprofil
IMR 2021, 462

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