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Café wegen Corona zwangsweise geschlossen: Schuldet Mieter trotzdem Miete?

1.
In der landesrechtlich angeordneten Schließung von Gastronomiebetrieben und Verkaufsstätten des Einzelhandels liegt kein Mangel der Mietsache.

2.
Es kann auch keine Vertragsanpassung aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangt werden, schon gar nicht, wenn eine existenzielle Not nicht dargelegt wird.

LG Wiesbaden, Urteil vom 05.11.2020 - 9 O 852/20

BGB § 275 Abs. 1, §§ 313, 326 Abs. 1 Satz 1, §§ 535, 536 Abs. 1 Satz 1, 2

Problem/Sachverhalt

Der Mieter betreibt seit 2004 ein Café in der Innenstadt von Wiesbaden. Die Verordnung der hessischen Landesregierung zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie verpflichtet den Mieter, sein Café im Zeitraum 21.03. bis 14.05.2020 zu schließen. Der Mieter leistet für April 2020 weder die Miete netto/kalt noch die Vorauszahlung für die Betriebskosten, i.H.v. ca. 9.900 Euro. Der Vermieter bietet die Stundung der Miete an, sofern der Mieter seine wirtschaftliche Lage offenlegt. Der Mieter reagiert darauf nicht. Der Vermieter klagt die Miete ein.

Entscheidung

Mit Erfolg! Das Landgericht verneint einen Mangel der Mietsache. Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse könnten zwar die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindern und einen Mangel begründen. Die Beschränkung müsse dann aber ihre Ursache in der Beschaffenheit und Beziehung der Mietsache zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen Umständen des Mieters. Die hoheitlichen Maßnahmen müssten mit der Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache in Zusammenhang stehen. Dies treffe auf die COVID-19-bedingte Schließungsverordnung nicht zu. Diese diene nur dem Schutz der Bevölkerung, ihr Anknüpfungspunkt sei nicht die Mietsache selbst, sondern der Umstand, dass die bestimmungsgemäße Nutzung der Mietsache notwendig mit Publikumsverkehr einhergehe und dieser das Risiko einer Infektion ansteigen lasse. Der Anspruch auf Miete sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen. Mit der Schließung realisiere sich nur das Verwendungsrisiko des Mieters. Der Vermieter überlasse die Mietsache zum Gebrauch wie geschuldet, seine Leistung sei nicht unmöglich. Ob neben dem mietrechtlichen Gewährleistungsrecht eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB überhaupt anwendbar ist, lässt das Landgericht offen. Denn es verneint einen Anspruch des Mieters auch insoweit. Ihn treffe das Verwendungsrisiko, außerdem habe er noch nicht einmal eine Existenzgefährdung dargelegt.

Praxishinweis

Das LG Wiesbaden folgt der Mehrheit der Landgerichte (so z. B. auch LG Frankfurt/Main, IMR 2020, 460, LG Zweibrücken, IMR 2020, 461). Soweit ersichtlich hat bislang nur das LG München I einen Anspruch eines Ladenmieters auf Mietreduzierung anerkannt (LG München I, IMR 2021, 23). Es ist sicher, dass der BGH zu den hier strittigen Fragen das letzte Wort haben wird und insoweit die Rechtsunsicherheit bleibt. Angereichert wird diese durch das am 18.12.2020 im Bundestag verabschiedete Gesetzespaket, mit dem u. a. in § 313 BGB, also den Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage, eine widerlegliche Vermutung aufgenommen wird, dass Einschränkungen in der Verwendung von gewerblichen Mieträumen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu einer schwer wiegenden Veränderung der Grundlagen des Vertrags geführt haben. Damit ist aber nur ein Tatbestandsmerkmal für einen Anspruch des Mieters auf Anpassung des Vertrags, also Reduzierung der Miete, widerleglich erfüllt. Die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 313 Abs. 1 BGB bleiben unberührt, so dass im Streitfall die Partei, die sich auf die Regelung beruft, die Merkmale darzulegen und gegebenenfalls auch zu beweisen hat. Einvernehmliche Lösungen mit Augenmaß sind das Gebot der Stunde.

RA Dr. Marc Biebelheimer, Berlin Autorenprofil
IMR 2021, 71

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