1. Eine Abmahnung, die den Vermieter zur Kündigung berechtigen soll, muss mit dieser in engem zeitlichen Zusammenhang stehen und sich auf ein bestimmtes oder zumindest ähnliches und sich kontinuierlich fortsetzendes Verhalten beziehen.
2. Eine schwerwiegende Störung des Hausfriedens liegt nicht bei einmaligen oder vereinzelten Vorfällen und Störungen im Bagatellbereich vor.
AG Paderborn, Urteil vom 03.03.2021 - 55 C 281/20
BGB § 543 Abs. 1, 3 Satz 1, § 546 Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 1
Problem/Sachverhalt
Zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht seit dem 01.03.2005 ein Mietverhältnis über Wohnräume. Der Vermieter wirft dem Mieter vor, durch verschiedene Verhaltensweisen den Hausfrieden gestört zu haben und weiter zu stören. Bereits im Jahr 2009 habe er den Mieter wegen Lärmbelästigungen abgemahnt. Dennoch habe der Mieter sich weiterhin rücksichtslos gegenüber den anderen Mietern des Hauses verhalten, etwa durch lautes Schreien im Treppenhaus zur Nachtzeit, Sturmklingeln und Bedrohung eines anderen Mieters. Der Vermieter kündigt daraufhin das Mietverhältnis am 14.09.2020 fristlos, hilfsweise zum 30.06.2021 ordentlich und verlangt nunmehr die Räumung und Herausgabe der Mietsache.
Entscheidung
Nach Ansicht des AG Paderborn steht dem Vermieter kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zu. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei, da keine erfolglose Abmahnung erfolgt und diese auch nicht entbehrlich sei. Ziel der Abmahnung sei es, den Mieter zu warnen, das durch die Abmahnung benannte Verhalten zur Verhinderung einer Kündigung zukünftig zu unterlassen. Hierfür sei eine hinreichende Konkretisierung der Art und des Umfangs der Störung erforderlich. Stehe die Kündigung nicht in engem zeitlichem Zusammenhang eines identischen oder jedenfalls ähnlichen, sich kontinuierlich wiederholenden Verhaltens, sei für den Mieter nicht erkennbar, dass die Kündigung aufgrund seines trotz Abmahnung andauernden Verhaltens erfolgte. Bei einem Zeitraum von 11 Jahren zwischen Abmahnung und Kündigung könne kein solcher enger zeitlicher Zusammenhang bestehen, so dass es auf das Vorliegen der weiteren Kündigungsvoraussetzungen im zu entscheidenden Fall nicht mehr ankomme. Zudem sei die Abmahnung auch nicht entbehrlich, da Gründe dafür, dass eine Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg versprochen hätte, nicht ersichtlich seien. Schließlich stellten die beschriebenen Störungen keine solchen dar, die aufgrund ihrer Intensität ausnahmsweise schon nach einmaliger Begehung die Vertrauensgrundlage des Vertrags endgültig zerstört haben. Dies könne bei einer strafrechtlich relevanten Bedrohung zwar durchaus der Fall sein. Das Vorliegen einer solchen sei im zu entscheidenden Fall jedoch nicht anzunehmen. Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist nach Ansicht des Gerichts unwirksam. Ein hierfür erforderliches berechtigtes Interesse des Vermieters liege nicht vor. Dass der Mieter den Hausfrieden nachhaltig störe und hierdurch seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten schuldhaft nicht unerheblich verletze, sei nicht erkennbar. Einmalig oder lediglich vereinzelt auftretende Vorfälle und Störungen im Bagatellbereich könnten keine nachhaltige Störung des Hausfriedens darstellen.
Praxishinweis
Das AG Paderborn betont noch einmal den erforderlichen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang von Abmahnung und Kündigung. Vermieter sind daher gehalten, bei Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Hausfrieden zu stören und daher eine Kündigung zu tragen, zeitnah und konsequent gegen den betreffenden Mieter vorzugehen, insbesondere in der erfolgten Abmahnung dessen Verhalten hinreichend konkret zu umschreiben, um ihr Recht zur Kündigung zu wahren.
RA Konrad H.J. Discher, Frankfurt a.M. und
Wiss. Mit. Anna Seidenfaden, Frankfurt a.M.
IMR 2021, 455