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Berechnung einer Überbaurente

Die Überbaurente ist nicht nach Art und Ausmaß der Einbuße bei der tatsächlichen Nutzung des überbauten Grundstücksteils, sondern allein auf der Grundlage von dessen Verkehrswert zur Zeit der Grenzüberschreitung zu berechnen.*)

BGH, Urteil vom 12.10.2018 - V ZR 81/18
BGB § 912 Abs. 2 Satz 1, § 915 Abs. 1 Satz 1

Problem/Sachverhalt

Die Parteien waren Eigentümer benachbarter Grundstücke, auf denen sie etwa zeitgleich größere Gebäude errichteten. Im November 2013 wurde die Bodenplatte auf der Ebene des zweiten Untergeschosses für das Gebäude auf dem Grundstück der Beklagten hergestellt. Diese überschreitet auf einer Länge von 48,5 m die Grenze zum Grundstück der Klägerin um 30 cm. Das Gebäude der Klägerin, das nicht bis in die betroffene Tiefe reicht, konnte plangemäß fertig gestellt werden. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Zahlung einer Überbaurente. Das Amtsgericht gab der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung statt. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Landgericht ihr unter Abweisung im Übrigen nur teilweise entsprochen. Nach Ansicht des Landgerichts komme es nicht darauf an, ob der Überbau die Klägerin in der Nutzung tatsächlich beeinträchtige. Der Nutzungsverlust, den der Eigentümer des überbauten Grundstücks erleide, spiele vielmehr bei der Höhe der Überbaurente eine Rolle. Grundlage für die Bewertung der Nutzungsbeeinträchtigung sei der Verkehrswert der überbauten Fläche, von der aber lediglich ein Drittel in Ansatz zu bringen sei, weil im Bereich des Überbaus eine Änderung der derzeitigen, durch den Überbau nicht beeinträchtigten Nutzung in den nächsten Jahrzehnten nicht zu erwarten sei.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Anschlussrevision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Nach Ansicht des Senats könne die Klägerin von der Beklagten Zahlung einer jährlichen Überbaurente in beantragter Höhe verlangen. Zutreffend habe das Berufungsgericht angenommen, dass der durch den zu duldenden Überbau ausgelöste Anspruch auf Zahlung einer Überbaurente nicht deshalb ausscheide, weil der Überbau die Klägerin in ihrer Nutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigt habe. Nicht richtig angewendet habe das Berufungsgericht jedoch die für die Bemessung der Überbaurente maßgebenden Kriterien. Die Überbaurente sei nicht nach Art und Ausmaß der Einbuße bei der tatsächlichen Nutzung des überbauten Grundstücksteils, sondern allein auf der Grundlage von dessen Verkehrswert zur Zeit der Grenzüberschreitung zu berechnen. Deshalb rechtfertige der Gesichtspunkt, dass die Klägerin nicht jegliche Nutzungsmöglichkeit an der von der Grenzüberschreitung betroffenen Grundstücksfläche verloren habe, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Vornahme eines Abschlags bei der Überbaurente nicht. Würde sich ihre Höhe nach Art und Ausmaß der tatsächlichen Beeinträchtigung richten oder müsste sie nachberechnet werden, ließe sich nicht feststellen, in welchem Umfang das Stammgrundstück für die Geldrente in Anspruch genommen werde, was wiederum die Berechnung des Beleihungswerts des Grundstücks und damit dessen Beleihung selbst erschweren würde. Die Beklagte habe nach der nicht zu beanstandenden Berechnung des Amtsgerichts eine jährliche Überbaurente in beantragter Höhe auf der Grundlage des unstreitigen und nicht zu kürzenden Verkehrswerts der überbauten Fläche an die Klägerin zu zahlen.

Praxishinweis

Nach der Entscheidung des BGH sind die tatsächlichen Beeinträchtigungen des Eigentümers eines überbauten Grundstücks bei der Berechnung der Höhe der Überbaurente unberücksichtigt zu lassen. Das Urteil bringt damit erhebliche Rechtsklarheit hinsichtlich der Höhe der bei unberechtigten Überbauungen geschuldeten jährlichen Zahlungen und erübrigt künftig Bewertungen und Feststellungen zu Art und Ausmaß der Einbußen, die durch widerrechtliche Überbauungen hervorgerufen werden.

RA und Notar, FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Dr. Andreas C. Brinkmann, Hannover
IMR 2019, 76

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