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Anspruch auf Teilnahme an Eigentümerversammlung - trotz Corona!

1.
Jeder Wohnungseigentümer kann auch während der Corona-Pandemie seine persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen verlangen.

2.
Der Verwalter darf in der Einladung Vertretungsmöglichkeiten bewerben und sich bei der Größe des angemieteten Saals an der zu erwartenden Teilnehmerzahl orientieren.

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 17.12.2020 - 2-13 S 108/20

WEG § 24 Abs. 6 Satz 3; ZPO § 945

Problem/Sachverhalt

Das AG Kassel (IMR 2020, 426 = ZfIR 2020, 787 mit abl. Anm. Häublein) hat die Nichtigkeit von Eigentümerbeschlüssen in einem Fall angenommen, weil der Verwalter in der Einladung zur Eigentümerversammlung darauf hingewiesen hatte, dass die Anzahl der Wohnungseigentümer aufgrund der Größe des Versammlungsraums auf neun Personen beschränkt sein müsse; und weiter: "Erteilen Sie deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung." Andernfalls müsse er sich vorbehalten, die Eigentümerversammlung nicht durchzuführen. Dadurch, so das AG Kassel, seien die Wohnungseigentümer von der Teilnahme abgehalten und elementare Mitwirkungsrechte verletzt worden.

Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg! Allerdings kommt bei schwer wiegenden Verstößen gegen elementare Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer eine Beschlussnichtigkeit, nicht bloß Anfechtbarkeit in Betracht (zur Abgrenzung BGH, Urteil vom 14.02.2020 - V ZR 159/19, Rz. 18, IMRRS 2020, 0535). Jeder Wohnungseigentümer hat - auch während der COVID-19-Pandemie - das Recht, an Eigentümerversammlungen persönlich teilzunehmen, um so durch Beiträge Einfluss auf die Willensbildung der Wohnungseigentümer zu nehmen (AG Lemgo, IMR 2020, 508 = ZWE 2020, 480 mit Anm. Greiner). Ein solch schwer wiegender Verstoß liegt hier nicht vor, sondern die Einladung ist nicht zu beanstanden. Die Wohnungseigentümer sind durch die konkrete Formulierung der Einladung nicht gleichsam ausgeladen worden. Denn Aufgabe des Verwalters ist es, durch die Wahl von Ort und Zeit eine ordnungsgemäße Durchführung der Eigentümerversammlung zu ermöglichen. Dabei muss er die Abstandsgebote und Hygienevorschriften einhalten und auch die zu erwartende Teilnehmerzahl als sachgerechte Ermessenskriterien bei der Auswahl des Versammlungsorts berücksichtigen und darf auch Vertretungsmöglichkeiten aktiv bewerben (vgl. Schmidt/Zschieschack, COVID-19, 2. Aufl., § 4 Rz. 11, 47 ff.). Der Verwalter muss also nicht einen großen (und teuren) Saal anmieten, der sämtliche Eigentümer fasst. Unzulässig wäre es allerdings, Teilnehmern den Zugang zum Saal zu verweigern, wenn die Kapazität erschöpft ist. Das wird mit der Einladung hier aber nicht angekündigt. Soweit der Verwalter die kurzfristige Absage in Aussicht stellt, gilt: Nicht durchführbare Eigentümerversammlungen dürfen abgesagt werden (LG Meiningen, IMR 2021, 29).

Praxishinweis

Die Entscheidung braucht sich nicht weiter mit der Frage der Fehlerfolgen zu beschäftigen, weil die Einladung schon nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Dazu gilt im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH der Grundsatz: Formelle Fehler führen in der Regel aus Gründen der Rechtssicherheit lediglich zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses; nur wenn ein Eigentümer in böswilliger Weise gezielt von der Teilnahme ausgeschlossen wird, ist die Beschlussnichtigkeit anzunehmen (BGH, a.a.O., Rz. 18; Staudinger/Häublein, 2018, § 23 WEG Rz. 252). Soweit kein Fall der Nichtigkeit vorliegt, führt der formelle Mangel zum Erfolg der Anfechtungsklage, soweit nicht feststeht, dass sich der Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat (vgl. BGH, IMR 2011, 104).

VorsRiLG Dr. Johannes Hogenschurz, Köln
IMR 2021, 78

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