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Alle Jahre wieder: Baulärm berechtigt doch zur Mietminderung!

1. Auf die Mietsache einwirkende erhebliche Bauimmissionen führen gem. § 536 Abs. 1 BGB zur Minderung der Miete.*)

2. Die Minderungsansprüche bestehen auch dann, wenn beim Vertragsschluss keine Beeinträchtigungen bestanden und die nachträgliche Erhöhung der Immissionslast nicht vom Vermieter zu verantworten ist.

3. Die Mietminderung hängt nicht davon ab, ob dem Vermieter gegenüber dem Veranlasser der Immissionen Abwehransprüche zustehen oder nicht (vgl. LG Berlin, IMR 2018, 231; IMR 2018, 50).

LG Berlin, Beschluss vom 12.07.2018 - 67 S 105/18
BGB § 535 Abs. 1 Satz 2, § 536 Abs. 1, § 906 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1

Problem/Sachverhalt

Die Mietminderung bei Baulärm ist ein klassischer Streitpunkt. Auf dem Nachbargrundstück eines Wohnhauses wurde eine Baustelle zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses eingerichtet. Als umfangreiche Abriss- und Bohrarbeiten zur erheblichen Lärmbelastung für den Mieter führten, erklärte dieser gegenüber dem Vermieter die Mietminderung und behielt einen Teil der Miete ein. Der Vermieter wies die Mietminderung zurück, weil der behauptete Baulärm nicht zur Mietminderung berechtige. Die vorübergehende Änderung des Wohnumfelds sei kein Minderungsgrund. Der Vermieter drohte mit Zahlungsklage in Höhe der Mietrückstände und der fristlosen Kündigung des Mietvertrags. Das Amtsgericht wies die Zahlungsklage ab, wogegen der Vermieter Berufung einlegte.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Nach Auffassung des LG Berlin sei der Mietzins während der Bauphase auf dem Nachbargrundstück gemindert gewesen. Aus den tatsächlichen Feststellungen folge prima facie, dass die Nutzung der Wohnung beeinträchtigt gewesen sei. Baulärm berechtige zur Mietminderung. Die Annahme einer Mietminderung bei Bauimmissionen stehe im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Kammer (LG Berlin, IMR 2018, 321). Auf Entschädigungsansprüche des Vermieters komme es nicht an. Zudem stünden die Grundsätze der Bolzplatz-Entscheidung des BGH (IMR 2015, 310) im unaufgelösten Widerspruch zur gegenteiligen Rechtsprechung des XII. Zivilsenats (BGH, IMR 2008, 270). Selbst wenn es auf eine ergänzende Vertragsauslegung ankomme, spreche viel dafür, dass die Parteien bei der späteren Entwicklung von einer Suspendierung der den Vermieter treffenden Mängelbeseitigungspflicht ausgegangen wären. Sie wären gleichzeitig davon ausgegangen, dass den Mietern wegen eines atypischen Wegfalls ihrer Mängelbeseitigungsansprüche im Hinblick auf das gesetzlichen Leitbild des § 536 Abs. 1 BGB ein entsprechender Anspruch auf die Herabsetzung der Miete zugestanden hätte. Dies stehe nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Wertungen.

Praxishinweis

Die Begründung überzeugt! Die Kammer lehnt konsequent einen "schematischen" Rückgriff auf die Bolzplatz-Entscheidung des BGH (IMR 2015, 310) bei Baulärm ab. Es ist dogmatisch falsch, Minderungsansprüche des Mieters nur deshalb ausschließen, weil der Vermieter nicht für diese vorübergehende Veränderung des Wohnumfelds einzustehen habe. Diese Minderungsansprüche entsprechen auch den Wertungen des Mietvertrags. Der Vermieter trägt das gesetzliche Gewährleistungsrisiko des Mietvertrags. Minderungsansprüche hängen nicht davon ab, ob Abwehransprüche gem. § 906 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nachbarn bestehen (a. A. LG München I, IMR 2016, 102).

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Kai-Uwe Agatsy, Berlin
IMR 2019, 57

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