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Kindergarten: Welche rechtlichen Fragen stellen sich?

Der Alltag in Kindergärten und Kitas steckt voller juristischer Fragen und manchmal auch Fallen: Wer haftet zum Beispiel, wenn sich die Kinder verletzen? Dürfen die Erzieher Fotos der Kinder auf die Homepage stellen? Wie sind Eltern versichert, wenn sie einen Ausflug begleiten?

Doch gleich wer der Träger der Einrichtung ist ‑ für Familien ist es immer ein großer Schritt, das Kind in einem Kindergarten oder einer Kita betreuen zu lassen. Dieser Schritt beginnt für die Eltern mit dem Betreuungsvertrag, den sie mit dem Träger der Einrichtung abschließen und der alle Fragen rund um den Besuch des Kindes in dem Kindergarten oder der Kita regelt. Mit dem Vertrag stimmen Eltern auch zu, einen Teil ihrer Aufsichtspflicht an die Einrichtung abzugeben. Deren Aufsichtspflicht beginnt, wenn die Eltern ihr Kind morgens dort abgeben und endet, wenn sie es am Nachmittag abholen.

‑ Wer darf das Kind vom Kindergarten abholen

Das Kind dürfen nur die Sorge‑ und Umgangsberechtigten von der Kita oder dem Kindergarten abholen, also in der Regel die Mutter und der Vater. Andere Leute dürfen das Kind nur abholen, wenn die Eltern eine Vollmacht ausstellen und in der Einrichtung hinterlegen. Es ist auch möglich, dass ältere Geschwister das Kind abholen oder das Kind alleine nach Hause geht, aber das müssen die Eltern erlauben und mit der Einrichtung absprechen.

‑ Was dürfen Eltern im Kindergarten mitbestimmen

Den Alltag und den Tagesablauf im Kindergarten oder in der Kita bestimmt der Träger, die Erzieher sind als sogenannte Verrichtungsgehilfen an seine Weisungen gebunden. Mit den Konditionen der Einrichtung erklären sich Eltern einverstanden, wenn sie den Vertrag mit dem Träger abschließen. Sie stimmen zunächst also zu, wie der Alltag in der Einrichtung abläuft, ob die Kinder beispielsweise vor dem Essen ein Gebet sprechen, einen Mittagsschlaf halten oder sie Bio‑Essen bekommen.

Doch das heißt nicht, dass Eltern diese Bedingungen nicht verändern können. Denn auch Eltern haben Mitspracherechte und dürfen den Alltag in der Einrichtung mitgestalten. Elterliche Partizipation ist formal und gesetzlich sogar gewollt, wie aus dem Sozialgesetzbuch VIII hervorgeht. Dabei umfassen die Mitspracherechte der Eltern nicht nur die Betreuung, Bildung und Erziehung des eigenen Kindes, sondern auch aller anderen Kinder, die den Kindergarten oder die Kita besuchen. Die Mitspracherechte der Eltern enden aber bei den Themen, bei denen sie sich mit dem Träger nicht einigen können. In solchen Fällen hat der Träger das letzte Wort.

‑ Welche Rechte haben die Elternvertreter im Kindergarten?

Für die Arbeit von Elternvertretern in Kindergärten oder Kitas gibt es keine gesetzliche Grundlage. Und das unterscheidet ihre Möglichkeiten und Machtbefugnisse, den Alltag in diesen Einrichtungen zu beeinflussen, ganz erheblich von denen, die etwa Elternvertreter oder Elternbeiräte in Schulen haben. Das bedeutet also auch hier, dass die Elternvertreter meist nur Wünsche äußern können. Sie haben keine rechtliche Handhabe, Änderungen in ihrem Sinne oder im Sinne der Elternschaft durchzusetzen.

‑ Dürfen Erzieher den Kindern Medikamente geben?

Nein, denn nur medizinisch ausgebildete Fachkräfte dürfen anderen Menschen gleich welchen Alters Medikamente geben.

‑ Wie müssen Erzieher vorgehen, wenn ein Kind an einer Allergie leidet?

Eltern, die ihr Kind in einem Kindergarten oder in einer Kita anmelden, geben meist in einem Fragebogen an, ob das Kind gesundheitlich eingeschränkt ist, es beispielsweise an einer Allergie leidet oder bestimmte Krankheiten hat. Erzieher müssen dies berücksichtigen und dafür sorgen, dass das Kind in der Einrichtung beispielsweise nichts isst, auf das es allergisch reagiert. Das kann auch einschließen, bei selbstgebackenen Kuchen der Eltern etwa zu Festen nachzufragen, aus welchen Zutaten der Kuchen gebacken ist.

‑ Ist es erlaubt, Bilder der Kinder auf die Homepage des Kindergartens zu stellen?

Auch Kinder haben das Recht an ihrem eigenen Bild. Deshalb dürfen die Erzieher die Bilder der Kinder oder Videos, in denen sie zu sehen sind, nicht einfach veröffentlichen und diese beispielsweise auf die Homepage der Einrichtung stellen. Solchen Veröffentlichungen müssen die Eltern zustimmen.

‑ Darf der Kindergarten Bilddokumentationen aufbewahren?

Kindergärten und Kitas dokumentieren in der Regel, wie sich ein Kind während der Zeit, in der es die Einrichtung besucht, entwickelt. Verlässt ein Kind die Kita oder den Kindergarten, weil es zum Beispiel eingeschult wird, darf die Einrichtung diese Dokumentation nicht aufbewahren, sondern muss sie vernichten. Es ist auch nicht erlaubt, dass die Einrichtung die Bildungsdokumentation etwa an die Grundschule weitergibt.

‑ Was ist die Aufsichtspflicht für ein Kind?

Eltern haben die Personensorge für ihr Kind. Personensorge meint „insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen“, wie es in § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heißt. Einen Teil dieser Personensorge, die Aufsichtspflicht, dürfen Eltern auf Dritte übertragen. In diesen Fällen sind etwa Erzieher den Eltern hinsichtlich der Aufsichtspflicht gleichgestellt, haben also gleiche Rechte und Pflichten gegenüber den Kindern wie die Eltern.

Wie diese müssen also auch die Erzieher das Kind etwa vor Gefahren schützen, was umso mehr gilt, je jünger das Kind ist und je weniger es in der Lage ist, Gefahren selbst zu erkennen. Außerdem meint Aufsichtspflicht für Eltern und Erzieher, dafür zu sorgen, dass das Kind niemandem Schaden zufügt und nichts zerstört.

‑ Wann liegt eine Verletzung der Aufsichtspflicht vor?

Doch viele Eltern wissen, dass der Alltag in Kindergärten oder Kitas nicht immer rund läuft: Das Kind verletzt sich, tut seinem Spielkameraden weh oder macht ein Spielzeug oder andere Gegenstände kaputt. Dann kann sich die Frage stellen, wer dafür verantwortlich ist: Haben die Erzieher nicht richtig aufgepasst, haben sie ihre Aufsichtspflicht verletzt?

Auch wenn es viele überraschen mag: Rechtlich lässt sich die Frage, wann jemand seine Aufsichtspflicht verletzt hat, nicht leicht beantworten. Denn es gibt keine gesetzliche Definition der Aufsichtspflicht, allenfalls aus der Rechtsprechung lassen sich grobe Richtlinien ziehen.

Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kann vorliegen, wenn ein Erzieher ein Kind etwa nicht verstärkt überwacht, obwohl es schon früher mit schädigendem Verhalten aufgefallen ist oder dieses Verhalten vorhersehbar war.

 

2012 urteilte etwa der Bundesgerichtshof, das Maß der gebotenen Aufsicht richte sich „nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann (Az: VI ZR 3/11). Doch was kann Erziehern oder Eltern zugemutet werden? Nach einem Urteil des Oberlandesgericht München von 2008 jedenfalls muss man Minderjährige nicht ständig überwachen (Az: 6 U 3881/08).

Die Rechtslage ist also schwammig, da nach Ansicht des Gesetzgebers Kinder zu selbstständigen Bürgern erzogen werden sollen. Dafür brauchen sie Freiräume, in denen sie eben ständig kontrolliert werden müssem. Insofern kann die Aufsichtspflicht für Erzieher wie Eltern ein Graubereich sein, in dem es wie so oft im Recht auf den Einzelfall ankommt.

‑ Wer haftet, wenn ein Kind im Kindergarten sich oder ein anderes Kind verletzt?

Dennoch enthebt diese Rechtslage Erzieher und Eltern nicht davon, auf die Kinder aufzupassen und dabei das zu beherzigen, was der BGH in verschiedenen Urteilen deutlich gemacht hat: Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist (Az: VI ZR 3/11, auch Az: VI ZR 199/08).

Konkret bedeutet das: Wenn ein Erzieher seine Aufsichtspflicht eingehalten hat, haftet er nach § 832 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch nicht, wenn ein Kind sich oder ein anderes Kind verletzt. Der Erzieher muss aber nachweisen, dass er seine Aufsichtspflicht eingehalten hat. Auch die Eltern oder die Kinder haften nicht, denn: „Kinder sind bis zum Alter von sieben Jahren nicht schuldfähig“. In solchen Fällen haftet die gesetzliche Unfallversicherung.

Das liegt auch an dem sogenannten Haftungsprivileg, was zivilrechtliche Ansprüche von Kindern untereinander oder gegen Erzieher ausschließt, vor allem die Ansprüche auf Schmerzensgeld.

‑ Wann haftet die gesetzliche Unfallversicherung?

Wenn sich ein Kind verletzt oder ein anderes verletzt hat, springt immer die gesetzliche Unfallversicherung ein ‑ selbst dann, wenn beispielsweise ein Erzieher erwiesenermaßen gegen seine Aufsichtspflicht verstoßen haben sollte.

Unabhängig davon aber sind Kinder während ihres Aufenthalts in der Krippe, im Hort, einer Kindertagesstätte oder Kita immer über die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Dieser Versicherungsschutz greift auch, wenn die Kinder einen Ausflug oder Besichtigungen unternehmen und an Feiern teilnehmen, die von der Einrichtung organisiert sind. Auch auf dem ‑ direkten ‑ Weg zwischen der Wohnung und der Einrichtung oder dem Ort, an dem eine Veranstaltung der Einrichtung stattfindet sind die Kinder versichert.

‑ Wer haftet, wenn ein Kind im Kindergarten etwas zerstört oder kaputt macht?

Auch wenn ein Kind einem anderen beim Spielen z.B. einen Pullover zerreißt oder andere Gegenstände kaputt macht, haften weder das Kind noch der Erzieher sondern der Träger der Einrichtung. Denn der Erzieher ist der sogenannte Verrichtungsgehilfe des Trägers und nimmt Aufgaben für diesen wahr. Gegen den Träger muss man Schadensersatz geltend machen, dieser wird dann über die Haftpflichtversicherung des Trägers bezahlt.

‑ Wann haften Erzieher im Kindergarten?

Nur wenn Erzieher grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich ihre Aufsichtspflicht verletzen, kann das für sie zivilrechtliche, manchmal aber straf‑ und disziplinarrechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Schmerzensgeld und Schadensersatz wären möglich. Allerdings nicht unbedingt bei Irrtümern oder Fehleinschätzungen des Erziehers.

"Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltsverein"

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